Paruar Bako wirbt für die jessidische Sache im Norden des Iraks
Paruar Bako wirbt für die jessidische Sache im Norden des Iraks

Die Jesiden

Nach 74 seit dem Mittelalter an ihnen begangenen Genoziden (Kurdisch: Farman) gehören die Jesiden zu den am stärksten vom Aussterben bedrohten Völkern der Welt. 

Religion

Die jesidische Mythologie geht auf rund 7000 Jahre alte Wurzeln zurück. 

Die Tatsache, dass sie bis zur Wende vom 11. Auf das 12. Jahrhundert nur mündlich überliefert wurde, kann als Hinweis ihres panhumanen Wahrheitsgehalts und ihrer zeitlosen Modernität interpretiert werden. Darüber hinaus weist derjesidische Schöpfungsmythos bemerkenswerte Übereinstimmungen mit der Urknalltheorie auf.

Das Jesidentum ist eine friedliche Religion, die auf die Missionierung Andersgläubiger verzichtet.

Seit dem 12. Jahrhundert übernahmen die Jesiden aus der Not heraus ihr bis heute geltendes Kastenwesen sowie das Endogamiegebot (geheiratet werden dürfen nur Jesiden derselben Kastenzugehörigkeit). Initiator war der Sufimeister Sheikh Adi Ibn Mustafir(1073 – 1162). Die heute die Entwicklung und Modernisierung der jesidischen Gesellschaftbehindernden Regeln sollten seinerzeit den Schutz der Gemeinde vor Übergriffen und Zersetzung gewährleisten.

Gesellschaftsstruktur

Ca. 80 Prozent der Jesiden gehören der Kaste der Mirids an. 15 Prozent sind Scheichs, 5 Prozent sind sogenannte Pirs. Geheiratet werden darf nur innerhalb der Kasten. Die geistlichen Zuständigkeiten obliegen den Pirs und Scheichs, sie unterweisen die Mirids in die religiösen Gebräuche. Oberhaupt der Jesiden ist der Mir. Der Mir ernennt auch den Heiligen Rat der Sieben sowie den Baba Çawîș als obersten Wächter des höchsten jesidischen Heiligtums in Lalish, ca. 125km nordwestlich von Erbil, der Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion.

In Lalish befindet sich auch die Grabstätte von Sheikh Adi. Obwohl Adi niemals zum Jesidentum konvertiert ist, wird er von den Jesiden als oberster Heiliger und Reformator verehrt.

Die Grundfesten der jetzigen Anlage in Lalish wurden wahrscheinlich von den Römern für ihren Kult um den Sonnengott Mithras konzipiert. Danach kamen assyrische Mönche. Über das, was davor war, gibt es nur Mythen und Vermutungen.Die Adi Ibn Musafir zuwachsende Verehrung als oberster Heiliger geht auf dessen entscheidende Rolle bei der Rückübereignung des Heiligtums von Lalish an die Jesiden zurück. Um das Jahr 1100 traf Adi mit einer Gruppe Jesiden vom südostanatolischen Hakkari kommend in Lalish ein und erreichte die friedliche Übergabe der damals von christlichen Mönchen bewohnten Anlage. 

Bevölkerung 

Nach den vielen Völkermorden und jahrhundertelangen Zwangsislamisierungen ist die Zahl der Jesiden auf weltweit nur noch rund 1 Million geschrumpft. 

Die Hauptsiedlungsgebiete befinden sich imnördlichen Irak, in Nordsyrien und in Südostanatolien.

Der Genozid von 2014 führte zu starken Fluchtbewegungen der mit dem Tode bedrohten Jesiden insbesondere nach Deutschland. Hier befindet sich auch die weltweit größte jesidische Diaspora.

Angaben über ihre Anzahl schwanken zwischen 200.000 und 400.000. Die Jesiden sind weitgehend assimiliert und fallen durch ihre im Vergleich zu anderen Migrantengruppen starkeBildungsneigung auf.

Die Hoffnung der Jesiden liegt auf der jungen Generation

Im August 2014 reiste der deutsche, damals 19jährige, in Oldenburg aufgewachsene Jeside Paruar Bako in den Irak, um seinem Volk vor Ort im Kampf gegen den IS zur Seite zu stehen. 

Nachdem er unzählige Kinder gesehen hatte, die nach den Massakern des IS zu Waisen gewordenwaren, gründete Paruar Bako gegen erhebliche Widerstände und unter Einsatz seines Lebens 2017 ein Waisenhaus, das 2018 zu einer Schule umgewidmet wurde. 

Bako ist einer der wichtigsten Protagonisten des heutigen Jesidentums. Seiner Brückenfunktion zwischen den deutschen und autochthonen orientalischen Jesiden wird besonders hohe Bedeutung beigemessen. Am 27.10.2021 veröffentlichte Paruar Bako sein Buch "Farman" (kurdisch für Genozid)*, das eine Brücke von der ersten Familie seines Vaters zu den vom Islamischen Staat begangenen Massakern an den Jesiden schlägt. Die erste, 27 Mitglieder umfassende Familie Bakos Vater wurde von Saddam Husseins Schergen lebendig in der Wüste begraben.

Nach seinen Gefühlen gefragt, sagt Paruar Bako, es ergebe keinen Sinn, in die Vergangenheit zu sehen. Kernbotschaft des jesidischen Glaubens sei das Verzeihen und das Vertrauen in eine bessere Zukunft, deren Gestaltung aber jedem einzelnen Menschen obliegt. Den Kindern gehöre die Zukunft, und wir haben die Pflicht, ihnen als Vorbilder zu dienen und ihnen ohne Ansehen ihrer Herkunft Liebe zu geben. Es sei an der Zeit, konsequent und unbeirrt das Richtige zu tun und Brücken zu bauen. Was zähle, sei das Jetzt und die Zukunft.

Damit gehört Paruar Bako ebenso zu den jungenHoffnungsträgern des zukünftigen Jesidentums wie die Nobelpreisträgerin von 2018, Nadia Murad.

 

* Paruar Bakos Buch "Farman" ist unter dem Link

https://paruarbako.de/ erhältlich

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