Auch Petr Bystron sicherte sich mit Landeslistenplatz 4 eine starke politische Zukunft (Quelle: BAYERNDEPESCHE)
Auch Petr Bystron sicherte sich mit Landeslistenplatz 4 eine starke politische Zukunft (Quelle: BAYERNDEPESCHE)


von Johannes Kraus von Sande


AfD Bayern entscheidet in Greding über ihre Zukunft

Weitere wichtige Schritte in Richtung Einstufung als gesichert rechtsextrem und Parteiverbotsverfahren?

Greding - Nach der Wahl der bundesweiten Spitzenkandidaten Alice Weidel und Tino Chrupalla hat sich die AfD Bayern nun daran gemacht, die Landesliste für Bayern aufzustellen. Am 29. und 30. Mai wurden hierbei im mittelfränkischen Greding bereits die ersten 11 Kandidaten der bayerischen Landesliste durch Delegierte gewählt. 

Schon die Nominierung der bundesweiten Kandidaten Dr. Alice Weidel und Tino Chrupalla wirft hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Partei erhebliche Fragen auf. Während die Nähe Chrupallas zum mittlerweile aufgelösten „Flügel“ um Björn Höcke noch nie ein Geheimnis war, ist mittlerweile auch Alice Weidel vom ehemals wirtschaftsliberalen Spektrum der Partei immer weiter nach rechts gerückt. Den neurechten Verleger Götz Kubitschek, der ebenfalls sehr enge Verbindungen zum ehemaligen „Flügel“ und zu Björn Höcke pflegt, bezeichnete Weidel als „eine sehr wichtige Figur für das rechtskonservative Spektrum unserer Partei“ und trat sogar in Schnellroda bei ihm auf. Weiterhin ist Weidel nach wie vor durch eine Spendenaffäre belastet. 

Peter Boehringer Spitzenkandidat

Auch der Blick nach Bayern verheißt im Hinblick auf die aktuelle politische Ausrichtung der Partei nichts Gutes. Hier wurde Peter Boehringer mit einem Ergebnis von 94% zum bayerischen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl bestimmt. Tagesspiegel und Süddeutsche Zeitung bezeichneten Boehringer bereits vor geraumer Zeit als einen „Freund von Verschwörungstheorien“. Boehringer glaubt an die Existenz im Geheimen und global operierender Eliten, die weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit an einer neuen Weltordnung (NWO) arbeiteten. Die Gesellschaft solle daher so verändert werden, dass die genannten Eliten sie besser kontrollieren könnten. Auf seiner Facebookseite ließ Boehringer zudem verlauten, dass die NWO mittlerweile die Bundesregierung steuere, weiterhin seien bereits die evangelische Kirche, die Deutsche Bahn, die CSU, die Grünen in Baden Württemberg und sogar die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft von ihren Vertretern durchsetzt. Auch die Vereinten Nationen würden von der NWO gesteuert, eine wichtige Rolle spielten hier jedoch auch die Freimaurer. 

Mit Begriffen wie „Umvolkung“ und „Volkskörper“ verwendet Boehringer eine offen neonazistische Sprache, wie beispielsweise Götz Aly zutreffend feststellte. Zum Thema Islam äußerte sich Boehringer in einer unsachlichen Weise, die diese Religionsgemeinschaft abwertet und zwangsläufig die religiösen Gefühle von Muslimen verletzt. Nach Recherchen des NDR und WDR bezeichnete er Muslime auch als „Macho-Mob der Surensöhne“. 

Es stellt also einen veritablen Skandal dar, dass Peter Boehringer überhaupt wieder als Kandidat für den Deutschen Bundestag aufgestellt wurde, erst recht, dass er als bayerischer Spitzenkandidat fungiert. 94% der bayerischen Delegierten scheinen mit seinen zweifelhaften Aussagen und Verschwörungstheorien demnach keinerlei Probleme zu haben. 

Corinna Miazga auf Listenplatz 2

Auf Platz 2 der Liste steht wenig überraschend Corinna Miazga, die inzwischen dem gemäßigten Lager um Jörg Meuthen zuzurechnen sei. Nach einer weitgehend überstandenen Erkrankung meldet sie sich damit im Politikbetrieb zurück. 

Stephan Protschka mit souveränem Platz 3

Den dritten Platz belegt nach der Entscheidung der Delegierten Stephan Protschka, der während seiner bisherigenZeit als Bundestagsabgeordneter unter anderem durch die Beteiligung an der Aufstellung eines revisionistischen Gedenksteins in Polen aufgefallen war. Protschka hatte zusammen mit der Jungen Alternative für ein Denkmal im polnischen Bytom gespendet, das an Freikorpskämpfer in Polen erinnern sollte. Die Aktion wurde von rund zwei Dutzend deutschen Historikern als „Verherrlichung nationalsozialistischer und rechtsextremer Verbände“ sowie als ein „nicht hinnehmbarer Affront gegenüber Polen“ eingestuft. Professor Michael Wildt von der Humboldt-Universität Berlin forderte daher mit seinen Kollegen den Rücktritt Protschkas von seinem Mandat. Auch hier stellt sich die dringende Frage, wie derartige Personen überhaupt wieder auf eine Landesliste der Partei gelangen konnten. 

Platz 4 für Petr Bystron

Auf Platz 4 der Liste steht Petr Bystron, dem in der Vergangenheit Sympathien zur „Identitären Bewegung“ nachgesagt wurden. Daher wurde er zeitweise bereits vom Verfassungsschutz beobachtet. Hinlänglich bekannt ist auch seine Aussage, dass Frauen wie die Nummer 3 der Landeliste, Corinna Miazga, besser „an der Stange tanzen“ sollten als sich politisch zu betätigen.

Die Ausführungen zu einzelnen Kandidaten könnten noch lange fortgesetzt werden. Von einem Neuaufbruch der Partei oder einem Schritt zur politischen Normalität und Mäßigung ist daher augenblicklich nichts festzustellen. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass sie mit derartigen Kandidaten im politischen Diskurs nicht mehr ernst genommen und das weitere Vorgehen der Verfassungsschützer gegen die AfD geradezu provoziert wird. Das Ergebnis von Greding ist damit ein Schlag ins Gesicht für alle noch vorhandenen gemäßigten und vernünftigen Mitglieder der Partei, die inzwischenbeinahe jedweder Perspektive beraubt wurden. Man kann insoweit auf deren weitere Reaktion gespannt sein. 

Regelmäßig wenden sich auch besorgte Parteimitglieder an BAYERN DEPESCHE und verweisen auf aus ihrer Sicht mehr als bedenkliche Verbindungen und Kontakte von Parteimitgliedern zur Reichsbürgerszene und in das Lager auch gewaltbereiter sogenannter „Querdenker“. Besonders im Zentrum der Kritik steht hier der Bezirk Unterfranken mit seinem Vorsitzenden Richard Graupner MdL, dessen Immunität derzeit aufgehoben ist und den die Staatsanwaltschaft Schweinfurt wegen Verrates von Dienstgeheimnissen angeklagt hat. 

Anderen gemäßigten Mitgliedern aus Bayern ist auch die derzeitige Europapolitik der Partei ein Dorn im Auge, laut derer die AfD nun den Austritt aus der Europäischen Union fordert. Früher war man noch davon ausgegangen, dass für eine Reform der EU ein Verbleib in der Gemeinschaft sinnvoll und erforderlich sei. 

Sinnvolle Ansätze der Partei, vor allem im Rahmen der Kritik an den aktuellen Maßnahmen im Bereich der Pandemiebekämpfung sowie auch im sozialen Bereich, gehen daher im Chaos unvertretbarer Positionen, Personalien und zweifelhafter Aktionen völlig unter. 


Zur Aufstellung der bayerischen Landesliste: https://christian-klingen.de/2021/05/31/aufstellungsversammlung-der-afd-bayern-impressionen-vom-1-wochenende/

 

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