Wie lange kann die Ukraine im Krieg gegen Rußland noch durchhalten?
Wie lange kann die Ukraine im Krieg gegen Rußland noch durchhalten?


Deutsche Regierung abermals der Entwicklung weit hinterher

Ein Kommentar von Johannes Kraus von Sande

Berlin -Wie man aus Kreisen des ukrainischen und amerikanischen Militärs sowie aus Geheimdienstkreisen, weiterhin von Beratern des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij in diesen Tagen recht einheitlich vernimmt, wird in den nächsten Wochen mit einer weiteren erheblichen Eskalation der Angriffshandlungen auf ukrainischem Gebiet durch Russland gerechnet. Weitere Erfolge Russlands oder gar eine Niederlage für die Ukraine würden auch über die Zukunft Europas sowie die der gesamten westlichen Welt entscheiden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird das Ergebnis des Konfliktes im Verlauf der nächsten 6 bis 9 Monate feststehen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Krieg in diesem Zeitraum auch beendet sein wird.

Entscheidung über Kampfpanzer kam zu spät

Nach dem deutschen Beschluss über die Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 1 und 2 und einer weitgehend ergebnislosen Diskussion über die Bereitstellungvon Kampfflugzeugen sind jedoch noch keine weiteren maßgeblichen Fortschritte in der Mobilisierung weiterer Militärhilfen für die Ukraine erreicht worden. Die Entscheidung über die Lieferung von Kampfpanzern hätte indes schon viel früher erfolgen können und wurde von Kanzler Olaf Scholz über einen Zeitraum von Monaten unnötig hinausgezögert. Nun stellt sich die Frage, ob die Lieferung nicht grundsätzlich zu spät kommt, weiterhin, welche Systeme einem Erfolg der Ukraine zusätzlich förderlich sein könnten. Diese Frage wurde vom Vize-Außenminister der Ukraine, Andrij Melnik bereits hinreichend beantwortet: Sein Land benötigt schlicht jedwede Form der militärischen Unterstützung, seien es Flugzeuge, Langstreckenraketen, Panzer oder U-Boote, weiterhin große Mengen an Munition. Die westliche Rüstungsindustrie und die europäischen Streitkräfte müssen mobilisieren, was auch immer zu mobilisieren ist. Und dies so schnell wie möglich. 

Zukunft Europas entscheidet sich in der Ukraine

Die Formulierung Wolodimir Selenskijs, dass sich die Zukunft Europas gerade in der Ukraine entscheide, ist keine Form des Größenwahns. Sie ist nicht einmal lediglich aus der Sicht der Ukraine gedacht und formuliert. Vielmehr referierte er heute nichts anderes, als die nackten Tatsachen und die Aussichten für die weitere politische Entwicklung Europas. 

Eine Niederlage der Ukraine ginge weit über einen bloßen Gesichtsverlust der Europäischen Union und der gesamten westlichen Welt hinaus. Sie wäre mit einer Verschiebung des Gleichgewichtes der Mächte hin zu einer Dominanz Russlands in Europa verbunden, letztlich auch zum Nachteil der gesamten westlichen Welt. Die Grundlagen und Werte der Charta von Paris für ein neues Europa würden grundsätzlich in Frage gestellt und die weitere politische Entwicklung stünde völlig in den Sternen. Die internationale Sicherheitsarchitektur und das bisherige Gleichgewicht der Mächte gerieten ins Wanken und es müsste eine lange Phase der Konsolidierung mit ungewissem Ergebnis folgen. Es wäre zudem mit erheblichen weiteren wirtschaftlichen Verwerfungen nicht nur in der Europäischen Union zu rechnen. Man ist sich derzeit nicht sicher, ob die politische Führung in Deutschland und auch die Regierungen der übrigen Verbündeten der Ukraine die Notwendigkeit eines Sieges für die Ukraine ausreichend erkannt haben. Es bleibt nur zu hoffen, dass nun endlich schnell und entschieden gehandelt wird. Sollte dies abermals nicht gelingen, hätte die Politik einen weiteren, entscheidenden Teil unserer Zukunft wohl endgültig verspielt.

x