Johannes Kraus von Sande ist ein versierter Kenner der bayerischen Landespolitik.
Johannes Kraus von Sande ist ein versierter Kenner der bayerischen Landespolitik.

Ein Jahr vor der Landtagswahl 2023 in Bayern stellen sich Fragen, die wohl nur ein versierter Kenner beantworten kann. Wir sprachen mit Johannes Kraus von Sande über Chancen und Risiken im kommenden Wahljahr.

BAYERN DEPESCHE: Herr von Sande, in den letzten Monaten ist es etwas ruhig um Sie geworden. Haben Sie vor, Ihr politisches Engagement in Bayern zu beenden?

von Sande: Nein, das Gegenteil ist der Fall. Neben meinen bekannten Aktivitäten in Sachen Autonomes Kurdistan und Ukraine habe ich mich auch weiter intensiv mit der politischen Lage in Deutschland und Bayern befasst. Hierbei habe ich mich mit vielen Menschen ausgetauscht, darunter auch mit alten Weggefährten innerhalb und außerhalb der AfD, wie zum Beispiel Markus Plenk MdL.  

BAYERN DEPESCHE: Welche Erkenntnisse und mögliche politische Aktivitäten haben sich daraus ergeben?

von Sande: Es wurde mit interessierten Personen und möglichen Geldgebern intensiv über eine Parteineugründung diskutiert. Hierbei stand sehr schnell fest, dass das Projekt an finanzieller Unterstützung nicht scheitern würde, außerdem konnten nennenswerte personelle Ressourcen erschlossen werden. Auch Markus Plenk hat ja zuletzt von der Notwendigkeit einer neuen, liberalkonservativen Kraft gesprochen. 

BAYERN DEPESCHE: Warum denken Sie, dass eine neue liberalkonservative Kraft erfolgreich sein könnte oder notwendig wäre?

von Sande: Die Unzufriedenheit mit der Arbeit der Regierungsparteien in Bayern ist gerade nach mehr oder weniger überstandener Corona-Pandemie und den teils sinnfreien, ja sogar in Teilen illegalen und verfassungswidrigen Maßnahmen der Regierung sehr hoch. Die Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte auf fragwürdiger Basis haben Spuren hinterlassen. Teilweise nicht nur Spuren, sondern regelrechte Wunden, die lebenslang Narben hinterlassen werden. Man denke nur an die Zerstörung einer Vielzahl von Existenzen, teils völlig unnötig und auf rein spekulativer Basis, was viele Maßnahmen im Rahmen der Pandemie betraf. Zudem hat sich die Überzeugung in der Wählerschaft verfestigt, dass die Regierungspartei CSU mit einem durchgreifenden und prinzipiellen Problem hinsichtlich Korruption in den eigenen Reihen konfrontiert ist. Dies betrifft nicht nur einzelne Personen, sondern ist ein strukturelles Problem, das sich über Jahrzehnte aufgebaut hat und mit der langen Regierungsbeteiligung dieser Partei zusammenhängt. Derartige Strukturen durchziehen nicht nur den Parteiapparat, sondern sich auch tief in der bayerischen Verwaltung verankert. Ein Musterbeispiel dafür waren wieder die dubiosen Maskendeals des einen oder anderen Abgeordneten. Auch die Zustimmung zur Arbeit unseres Ministerpräsidenten in Bayern ist derzeit nicht gerade hoch. Aktuelle Probleme im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine, beispielsweise Energieknappheit und übermäßige Inflation, zeigen das grundsätzliche Versagen von insbesondere Union und SPD in weiten Teilen der Energie-, Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. In der bayerischen und deutschen Politik war und ist also noch viel Luft nach oben. 

BAYERN DEPESCHE: Die Neugründung einer Partei steht also derzeit klar im Raum oder ist bereits im Gange?

von Sande: Sie stellt sich zumindest als möglich und erfolgversprechend dar. Man muss jedoch folgendes bedenken: Realistisch wäre es bis zum Ende des nächsten Jahres, einen Stimmenanteil von etwa 2-3 Prozent zu erreichen. Für einen Einzug in den Landtag würde dies nicht ausreichen. Der Wiedereinzug der FDP in das Parlament ist ohnehin gefährdet und würde durch ein derartiges Unterfangen zunehmend unwahrscheinlich. Auch die AfD würde Stimmenverluste erleiden und womöglich nennenswert geschwächt. Im Extremfall wäre auch hier der Wiedereinzug gefährdet. Ein glorioses Abschneiden der SPD ist ohnehin und unabhängig davon unwahrscheinlich. Es gibt viele Gründe, warum die Grünen nicht prinzipiell schlecht abschneiden werden.

BAYERN DEPESCHE: Was würde das für die Oppositionsarbeit in Bayern bedeuten?

von Sande: Eine Verbesserung der politischen Gesamtlage und insbesondere der Möglichkeiten der Opposition würde dadurch sicher nicht erreicht. Dies ist ein starkes Argument gegen die Neugründung einer weiteren liberalkonservativen Partei. Zudem muss klar sein, dass bestimmte Personen und Kreise erhebliche Mittel und erhebliche Mühen in den Auf- und Ausbau der Alternative für Deutschland investiert haben. Natürlich waren damit auch Erwartungen hinsichtlich einer erfolgreichen und einflussreichen liberalkonservativen Politik verbunden. Selbst unter Berücksichtigung aller derzeitigen und hinreichend bekannten Probleme dieser Partei erscheint eine erfolgreiche Reform oder gar Neuaufstellung nicht ausgeschlossen. Entsprechende Kräfte wirken hier sowohl von innen als auch von außen auf die Partei. Aus diesem Grunde besteht noch kein Anlass, die AfD grundsätzlich abzuschreiben. Gewisse Änderungen der letzten Monate und Jahre in Bezug auf die innere Organisation dürften positive Reformvorhaben sogar grundsätzlich erleichtern. Daher sind auch potentielle Unterstützer und Förderer einer liberalkonservativen Oppositionsarbeit in Bayern und ganz Deutschland noch an einer Reform und Verbesserung der Alternative für Deutschland interessiert.

BAYERN DEPESCHE: Was bedeutet dies für die künftige Oppositionsarbeit der AfD in Bayern?

von Sande: Das Spiel ist gerade vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen völlig offen. Die Chancen der Partei dürften insgesamt deutlich steigen, da sich die potentielle Wählerschaft vergrößern wird. Es wird jedoch viel davon abhängen, welche Personen auch nach derLandtagswahl das Ruder in Landesverband und Fraktion übernehmen werden. Ich stelle hierbei mehr auf den Grad der Befähigung als die Zugehörigkeit zu einem bestimmten politischen Lager innerhalb der Partei ab. 

BAYERN DEPESCHE: Vielen Dank für das Gespräch.

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