Ein Kommentar von Johannes Werner Kraus von Sande
München - Im Gegensatz zu Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der sich aktuell bereits wieder im Definieren roter Linien ergeht, die er mit einiger Wahrscheinlichkeit abermals nicht wird einhalten können, fordert der Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, die Lieferung von Kampfjets für die Ukraine. Wie er in einem Interview mit dem MDR mitteilte, müsse Deutschland alles dafür tun, um die Ukraine zu unterstützen. Während sich US-Präsident Joe Biden inzwischen gegen die Bereitstellung von Kampfflugzeugen ausspricht, möchten sie weder die französische noch die polnische und slowakische Führung grundsätzlich ausschließen.
Chef der Münchener Sicherheitskonferenz für Lieferung von Kampfflugzeugen
Heusgen ist der Ansicht, dass derjenige, der Kampfpanzer sende, auch Flugzeuge zur Verfügung stellen müsse. Man sehe, wie Wladimir Putin seinen brutalen Krieg fortsetze und man könne davon ausgehen, dass er auch dann oder erst recht dann nicht Halt machen werde, wenn er seine aktuellen Kriegsziele erreicht habe.
Er könne verstehen, dass der Ausbau von Waffenlieferungen vielen Menschen Angst mache. "Wir haben über Jahrzehnte hinweg den Grundsatz gehabt, dass wir keine Waffen in Krisengebiete schicken", erläuterte Heusgen. Doch man befinde sich in einer Zeitenwende. Russland habe einen Zivilisationsbruch begangen "und da müssen wir helfen", forderte er.
US- Präsident Joe Biden spricht sich gegen Lieferung aus
Während die ukrainische Regierung derzeit ihre westlichen Verbündeten mit Nachdruck zur Lieferung von Kampfjets drängt, schloss US-Präsident Joe Biden die Bereitstellung von Flugzeugen vom Typ F-16 mittlerweile aus.
Noch eine Woche davor hatte Bidens stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater Jon Finer eine Lieferung von F-16-Jets nicht grundsätzlich abgelehnt. Die USA würden laufend prüfen, welche Waffen die Ukraine im Kampf gegen Russland in der aktuellen Situation benötige und daher grundsätzlich kein spezifisches System ausschließen.
Frankreich, Polen und Slowakei für Bereitstellung offen
Unterdessen hat sich der französische Präsident Emmanuel Macron die Entsendung von Kampfflugzeugen an die Ukraine offengelassen.
Dies müsse jedoch unter der Bedingung geschehen, dass eine Bereitstellung solcher Waffen nicht in einer Eskalation mündeoder auch dazu diene, "russischen Boden zu berühren".
Weiterhin dürften die Kapazitäten der französischen Streitkräfte nicht beeinträchtigt werden und die ukrainische Regierung müsse die Lieferung der Flugzeuge förmlich beantragen.
Auch die polnische Regierung würde es unterstützen, wenn sich die NATO für eine Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine entscheiden sollte. Ministerpräsident Mateusz Marawiecki forderte von den Verbündeten mehr Mut. Raketen- und Luftabwehrsysteme sollten der Ukraine nicht nur im Westen, in der Hauptstadt Kiew und an der Front zur Verfügung stehen, sondern auf ihrem gesamten Territorium.
Der Verteidigungsminister der Slowakei, Jaroslav Nagy erklärte unterdessen, dass auch sein Land dafür offen wäre, der Ukraine MiG 29-Kampfjets bereitzustellen.
„Die Flugzeuge befinden sich derzeit auf einem der Stützpunkte in der Slowakei und wir sind bereit, über die Übergabe dieser Flugzeuge an die Ukraine zu sprechen. „Wir warten die Entscheidung der slowakischen Regierung ab", führte Nagy aus. Weiterhin kündigte er auch eine Abstimmung mit den Verbündeten an.
Deutschlandr als Kriegsziel - Definieren roter Linien grundsätzlich falsch und gefährlich
Im Anschluss an die etwas verunglückte Formulierung der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, die im Zusammenhang gemeinsamer europäischer Anstrengungen für die Ukraine von einem „Krieg gegen Russland“ gesprochen hatte, wurde sie sowohl von Teilen der Regierung als auch aus der Opposition heraus in Schutz genommen.
So erklärte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter dem RND: „Außenministerin Baerbock hier eine böse Absicht zu unterstellen, halte ich für falsch und nährt nur das russische Narrativ und die russische Desinformationskampagne.“ Zusätzlich führte er aus: „Wir, also Deutschland, sind Kriegsziel, aber nicht Kriegspartei.“ Es sei daher richtig, dass „wir gemeinsam gegen dieses völkerrechtswidrige, brutale Vorgehen angehen oder eben kämpfen“, so Kiesewetter. „Nicht anders war die Intention der Außenministerin und sie ist auch nicht anders zu verstehen.“
Was schon lange hatte ausgesprochen werden müssen, wurde damit klar gesagt. Russland führt nicht nur einen brutalen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine, sondern, wie kremltreue Propagandisten auch nicht müde werden zu betonen, zugleich einen Krieg gegen den gesamten Westen, die Europäische Union und hierbei als aus dessen Sicht vordersten Repräsentanten der Europäischen Union die Bundesrepublik Deutschland. Unabhängig von diesen Erklärungen, die aus dem unmittelbaren Umfeld Putins kommen, kann dieser Umstand mit einer Vielzahl von Tatsachen und Beobachtungen untermauert werden, die ihren Ausgang auch schon vor dem aktuellen Einmarsch Russlands in die Ukraine hatten.
Fest steht mittlerweile, dass Russland von den gesetzten Zielen nicht freiwillig Abstand nehmen wird, weiterhin, dass auch Verträge und Vereinbarungen von russischer Seite nicht eingehalten und dass Verhandlungen derzeit keinerlei akzeptables Ergebnis erbringen können. Polen, Slowaken und das Baltikum haben ihre eigenen Erfahrungen mit Russland insbesondere unter der Führung Putins und vertreten daher zu Recht die Ansicht, dass die Aggression Russlands genau an der Grenze zur Ukraine zu stoppen ist. Dafür müssten alle verfügbaren und vertretbaren Mittel aufgeboten werden, die Entscheidungen zur Unterstützung der Ukraine sollten vom aktuellen Verlauf der Dinge abhängig gemacht werden.Insbesondere aus Kreisen der Union und der Grünen heraus wird in richtiger Einschätzung der Lage die Auffassung vertreten, dass Putin diesen Krieg verlieren muss, um in Zukunft in Europa und vermutlich auch weltweit noch sicher leben zu können. Dazu ist erforderlich, dass die Ukraine über mindestens die selbe Ausstattung wie Russland verfügenmuss, wenn man einmal vom Besitz von Atomwaffen absieht. Die Ziele Putins gehen weit über die Ukraine hinaus. Russland verfügt über eine relativ gut funktionierende Rüstungsindustrie, insbesondere auch, was den Nachschub an Munition betrifft. Insoweit wird es bei dem aktuellen Fortgang der Kampfhandlungen diese im Jahr 2023 weiter fortsetzen können. Die vorhandenen Kapazitäten werden noch mit Hochdruck ausgebaut. Wenn Kanzler Scholz, der durch sein Agieren zum Thema Kampfpanzer Deutschland schon international weitgehend isoliert und zum Gespött gemacht hatte, in seiner Naivität vor einem „Überbietungswettbewerb“ warnt, setzt er damit nicht nur die Existenz der Ukraine und das Leben vieler tausend Menschen aufs Spiel, sondern gefährdet dadurch auch die Sicherheit Deutschlands und Europas.
Man wird sich bezüglich der notwendigen Maßnahmen schlicht am weiteren Verlauf der Dinge orientieren müssen. Die deutsche, europäische und die gesamte westliche Rüstungsindustrie muss sich vorbereiten und so rasch wie möglich ausgebaut werden, weitere Quellen für die Lieferung von Nachschub sind zu erschließen, wie es Putin auch im Falle des Irans oder Nordkoreas versucht. Das Töten in der Ukraine und die Bedrohung der westlichen Welt werden erst dann enden, wenn sich Putin hinsichtlich der militärischen Möglichkeiten klar im Nachteil sieht und auf das russische Staatsgebiet zurückgedrängt ist. Diese Situation ist im Grundsatz nicht neu. Es ist dem Versagen vorangegangener Regierungen zuzuschreiben, dass diese Tatsachen nicht schon seit vielen Jahren erkannt und damit Putin mörderische Freiräume eröffnet wurden.