Regierungen und Geheimdienste weltweit bereiten sich auf Extremszenarien vor
Regierungen und Geheimdienste weltweit bereiten sich auf Extremszenarien vor


Berlin- „Demokratisch regieren in ökologischen Grenzen“ ist der Titel eines Papieres, das vom deutschen Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) für die Bundesregierung erstellt wurde. Die im Internet frei zugängliche Schrift enthält nicht lediglich ein Dossier mit der Meinung einiger beteiligter Wissenschaftler, sondern gibt dezidiert ausgearbeitet und zusammengefasst den Stand der aktuellen Forschung zu gravierenden Risiken für Mensch und Umwelt wieder. Vergleichbare Unterlagen liegen inzwischen Regierungen und auch Geheimdiensten als Entscheidungsgrundlage und Handlungsempfehlung weltweit vor. Die Studien, auf denen sie beruhen, sind teils öffentlich für jedermann einsehbar, teils wurden sie jedoch auch für deninternen Gebrauch erstellt und sind daher bis dato geheim. 

Demokratisch regieren in ökologischen Grenzen?

Gemeinsam ist diesen Unterlagen, dass sie erhebliche Gefahren für die menschlichen Lebensgrundlagen und letztlich die gesamte menschliche Zivilisation bereits im Verlauf der nächsten Jahrzehnte annehmen, spätestens jedoch bis zum Ende des aktuellen Jahrhunderts. Als zentrale Gefahrenquellen werden dabei der Klimawandel, das aktuelle Artensterben, die Biosicherheit und auch die technische Entwicklung vor allem im Bereich der Künstlichen Intelligenz genannt. Aufsehen erregte hierbei insbesondere auch eine öffentliche Stellungnahme des Centre for Long-Term Resilience, einer Initiative führender britischer Universitäten, das vor existenziellen Bedrohungen für die Menschheit warnt, die die Ära des Homo Sapiens sogar in überschaubarer Zeit beenden könnten. Wörtlich wurde hier vor einem „untragbar hohen Niveau an extremen Risiken“ gewarnt und man forderte nachdrücklich die Staatengemeinschaft dazu auf, sich umgehend ausreichend auf extreme Herausforderungen vorzubereiten.

Für manche Betrachter überraschend einhellig geht man hierbei davon aus, dass die aktuellen Gesellschaften, Staaten und weltweit vorhandenen politischen Systeme allesamt derzeit und bereits seit einiger Zeit nicht in der Lage sind, auch nur die menschlichen Lebensgrundlagen zu erhalten.„Derzeit fehlt es an umweltpolitischen Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Gesellschaft, die die langfristigen Umweltfolgen umfassend berücksichtigen“ heißt es dazu beispielsweise in der Stellungnahme des SRU.

Zunehmend vorhandenes, individuelles Umweltbewusstsein schlage sich nicht auch gleichzeitig und selbstverständlich in entsprechenden Handlungen und Verhaltensweisen der Menschen nieder. Überhaupt sei diesbezüglich notwendiges und zielgerichtetes Verhalten der Bürger nicht in ausreichender Form auf der Basis von Einsicht, staatlichen Anreizen und Freiwilligkeit zu erwarten und zu erzielen. Bemerkenswert ist hierbei neben vielen vergleichbaren Studien eine Arbeit der Hamburger Soziologin Anita Engels, die diese Zusammenhänge in einer aktuellen Arbeit eindrucksvoll darlegt. Einvernehmlich geht man inzwischen auch davon aus, dass bloße Mechanismen des Marktes das Problem ebenfalls nicht lösen werden, was im Übrigen nach Aussage des eingangs zitierten Papieres sogar auch der Einschätzung der Mehrheit der deutschen Bevölkerung entspricht. 

Auch auf der Basis der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, das sich mit dem Verhältnis der Grund- und Freiheitsrechte der aktuell lebenden Menschen zu denjenigen späterer Generationen befasst, stellt sich die dringende Frage, wie ein ausreichender Schutz der menschlichen Lebensgrundlagen auf demokratischer Basis möglich ist und gelingen kann. Politisch gesehen sieht man sich hier vor einer nie dagewesenen Herausforderung. Um es klar auf den Punkt zu bringen: Ein Erhalt von Entscheidungsalternativen, Freiheiten und damit die Möglichkeit zukünftiger demokratischer Entscheidungsprozesse auch für die Zukunft hängt nunmehr entscheidend davon ab, ob eine tatsächlich und messbar sowienachweisbar erfolgreiche Umweltpolitik als unausweichliche Leitplanke die Grundsätze staatlichen Handelns bestimmt. Jede Möglichkeit, sich selbst weiter in die Tasche zu lügen, gehört angesichts der vorhandenen Lage und Erkenntnisse der Vergangenheit an. „Wenn planetarische Grenzen überschritten werden, sind die Risiken für Mensch und Umwelt unabsehbar“, stellt das Papier des Sachverständigenrates lakonisch, aber logisch und zutreffend fest.

Gemeinsam ist entsprechenden internationalen Analysen auch zu entnehmen, dass die Vernachlässigung ökologischer Notwendigkeiten in politischen Entscheidungen durchweg strukturelle Ursachen hat. Daher wird an der Weiterentwicklung politischer Institutionen und Entscheidungsprozesse kein Weg vorbeiführen, wie auch das Papier des SRU schlussfolgert. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sprach hierbei beispielsweise von der Notwendigkeit der Weiterentwicklung zu einer „Ökologischen Marktwirtschaft“. 

Zusätzlich zu den skizzierten Präventionsanforderungen ist mittlerweile jedoch offensichtlich, dass auch das politische Instrumentarium zur Bewältigung unvermeidbarer und bereits eingetretener Naturkatastrophen den zukünftigen Anforderungen angepasst werden muss. Ein Menetekel hierfür mag beispielsweise in Deutschland die aktuelle Erfahrung mit den Flutkatastrophen des Sommers 2021 sein, in anderen Ländern mögen Waldbrandereignisse, extreme Hitzewellen oder Stürme entsprechende Überlegungen ausgelöst oder befördert haben. Wie gerade die weltweite Corona-Pandemie eindrucksvoll vor Augen führte, ist die Politik auf eine effiziente Bewältigung vergleichbarer Krisen bislang nicht ausreichend vorbereitet. Insgesamt dürfte es sich auch um eine verbreitete Illusion handeln, dass vergleichbare Extremereignisse überhaupt in jedem Falle vollständig politisch kontrollierbar oder beherrschbar wären. Gerade diese Einsicht sollte jedoch dem Präventionsgedanken zusätzlichen Vorschub leisten, um für die Zukunft keine annähernd anarchischen Zustände oder auch die Notwendigkeit bloßer „Expertenregierungen“ über lange Zeiträume zu provozieren. 

 

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