Der Hafen von Lindau symbolisiert Bayerns Teil am Bodensee.
Der Hafen von Lindau symbolisiert Bayerns Teil am Bodensee.


München – Am 8. Oktober 2023 findet die mit viel Spannung erwartete Neuwahl des Bayerischen Landtages statt. Die mindestens 180 Abgeordneten werden über Direkt- und Listenmandate bestimmt. Alle bayerischen Regionen entsenden mindestens einen Abgeordneten ins Landesparlament. Deshalb gibt es 91 Stimmkreise, in denen mit der Erststimme ein Direktkandidat gewählt wird. Für den Mandatsgewinn reicht die einfache Mehrheit. Damit die Sitzverteilung möglichst genau dem Wählerwillen entspricht, wird die knappe Hälfte der Mandate – genau 89 von 180 – an Listenkandidaten vergeben. Zu diesem Zweck stellen die Parteien für jeden der sieben Regierungsbezirke Kandidatenlisten auf. Mit der Zweitstimme wird ein Kandidat auf diesen Listen gewählt und auf diese Weise entschieden, wer außer den Direktkandidaten in den Landtag einzieht. Wegen 10 Überhang- und 15 Ausgleichsmandaten gehören dem derzeitigen Bayerischen Landtag 205 statt 180 Mandatsträger an.

Migrationsthema könnte Bayern-Wahl im Oktober 2023 beherrschen

Bei der letzten Landtagswahl im Oktober 2018 verlor die CSU ihre absolute Mehrheit und fuhr mit 37,2 Prozent der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 ein. Auf ein historisches Tief stürzte mit nur noch 9,7 Prozent auch die SPD ab. Vom Niedergang der Sozialdemokraten profitierten vor allem die Grünen. Sie erreichten mit 17,6 Prozent ihr bestes Landtagswahlergebnis in Bayern und stiegen zur zweitstärksten Fraktion im Maximilianeum auf. Die Freien Wähler konnten sich leicht auf 11,6 Prozent steigern. Die AfD kam aus dem Stand auf ein zweistelliges Ergebnis und zog dank vieler früherer CSU-Wähler mit 10,2 Prozent in den Landtag ein. Nach fünfjähriger Absenz schaffte die FDP mit 5,1 Prozent ganz knapp den Wiedereinzug. Die Linke spielt in Bayern traditionell keine Rolle und verfehlte mit 3,2 Prozent deutlich den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.

Längst sind die Blicke der Landtagsparteien auf den 8. Oktober gerichtet. Rund neun Monate vor dem Urnengang kommen sie alle zu Fraktionsklausuren zusammen, um die bisherige parlamentarische Arbeit Revue passieren zu lassen und vor allem Arbeitsschwerpunkte für den Rest der Legislaturperiode festzulegen. Die Abgeordneten der Freien Wähler kamen als Erste zu ihrer Winterklausur zusammen und forderten die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die Stärkung des Ehrenamtes. Beim FDP-Arbeitstreffen unter dem Motto „Zeitenwende für Bayern“ standen Maßnahmen gegen die hohe Inflation, die Förderung von Technologien und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im Mittelpunkt. Die Winterklausurtagung der CSU-Landtagsfraktion in Kloster Banz steht unter dem Motto „Bayern 2030: Die Zukunft beginnt jetzt“. Dort befassen sich die Christsozialen mit Fragen der Energieversorgung, der Innovationsförderung und der inneren Sicherheit. Die AfD-Abgeordneten beraten politische Initiativen gegen die Energiekrise und Inflation, bringen eine Reform des öffentlichen Rundfunks ins Spiel und sprechen über die inzwischen vier Untersuchungsausschüsse im Landtag. Die Grünen bearbeiten erwartungsgemäß das facettenreiche Thema Energiewende, und die SPD-Fraktion diskutiert über bezahlbares Wohnen, klimaneutrale Mobilität und bessere Bildungschancen.

Wo die Parteien zum Start des Landtagswahljahres stehen und wie die Stimmung im Freistaat ist, lässt sich an den Ergebnissen des BR24 Bayerntrends ablesen. Laut den Mitte Januar veröffentlichten Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap haben die Regierungsparteien CSU und Freie Wähler weiterhin eine Mehrheit. Die Christsozialen unter Führung von Ministerpräsident Markus Söder kommen auf 38 Prozent und damit auf einen Punkt mehr als im letzten Oktober. Die Freien Wähler büßen mit 10 Prozent zwar leicht ein, mit zusammen 48 Prozent könnte Schwarz-Orange aber weiterregieren. Zweitstärkste Kraft hinter der CSU sind die Grünen mit einem unveränderten Wert von 18 Prozent. Ein Umfragegewinner ist die AfD, die sich um einen Punkt auf 13 Prozent verbessert. Die SPD verliert und wird mit neun Prozent nur noch einstellig. Trotz leichter Zugewinne würde die FDP mit vier Prozent den Landtagseinzug verpassen.

51 Prozent der Bayern sind mit der Arbeit der Staatsregierung zufrieden – das ist kein berauschender Wert, aber gegenüber Oktober ein Plus von sieben Prozent. Während der Landesregierung CSU-Anhänger das beste Zeugnis ausstellen, bekommt sie von den AfD-Sympathisanten besonders schlechte Noten. Nach zwischenzeitlich stark rückläufigen Zufriedenheitswerten kann der Ministerpräsident wieder Boden gutmachen. Momentan bewerten 56 Prozent der Bürger die politische Arbeit von Markus Söder positiv und damit sechs Prozent mehr als im Oktober. Gestiegene Werte erzielt auch Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, der nun auf 45 Prozent kommt. „Die CSU startet stabil und mit Rückenwind in dieses Jahr“, interpretierte Generalsekretär Martin Huber den aktuellen Bayerntrend und sieht Söder als großes Zugpferd seiner Partei. „Passt für uns“, sagte Freie-Wähler-Chef Aiwanger und kündigte gleichzeitig an, die Abwanderung enttäuschter Wähler zur AfD aufhalten zu wollen. Deren Landeschef Stephan Protschka ist mit dem Umfrageergebnis sehr zufrieden und erklärte, dass Zuwanderungskritik wieder eine große Rolle im Wahlkampf seiner Partei spielen werde. Das macht Sinn, denn die Migration wird von den Bayern nach der Energiekrise und vor dem Klimawandel für das zweitgrößte Problem gehalten. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze hält die ermittelten 18 Prozent für eine gute Ausgangslage ihrer Partei, sagte aber: „Für uns ist klar: Da geht noch mehr.“ Der FDP-Landeschef Martin Hagen und der SPD-Landesvorsitzende Florian von Brunn hadern mit den schlechten Umfragewerten ihrer Parteien und machen dafür negative Bundestrends mitverantwortlich. Die Talsohle sei für die Liberalen jedenfalls durchschritten, glaubt Hagen. Die Bayern-SPD hat aber auch mit vielen hausgemachten Problemen zu kämpfen. Für Negativschlagzeilen sorgte ihr Generalsekretär Arif Tasdelen, der nach Vorwürfen zurücktrat, sich gegenüber SPD-Frauen unangemessen verhalten zu haben. Damit ist von Brunn nicht nur ein persönlicher Freund, sondern auch der oberste Wahlkampfleiter von der Fahne gegangen.

Die CSU hat keine solchen Personalprobleme, steckt aber in einem strategischen Dilemma. Die Partei will nicht laut über Migrationsprobleme reden, um nicht das Kernthema der AfD zu bedienen. Aber die bayerischen Wähler treibt die Massenmigration um, die längst wieder zu überfüllten Aufnahmezentren und belegten Turnhallen führt. Die eigenen Landräte schlagen Alarm, aber Söder schweigt lieber über die Migration. Deshalb überrascht es nicht, dass die Zahl der Bayern, die der CSU die höchste Kompetenz in der Asylpolitik zumessen, gesunken ist. „Es gibt einen klaren Profiteur: Die AfD hat auf dem Politikfeld SPD und Grüne ein- oder überholt. Im Bereich Kriminalität/Sicherheit ist es ähnlich“, stellt der „Merkur“ fest. Für Andreas Bachmann, den Wahlexperten des Bayerischen Rundfunks, kommt es der AfD „gelegen, dass das Thema Zuwanderung wieder weit oben auf der Problemagenda der Menschen“ steht. Den anderen Parteien rät er daher, sich noch einmal Gedanken zu machen, „welches Thema sie wirklich in den Mittelpunkt des Wahlkampfes stellen“ wollen.

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